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Die wunderbare Welt der Mina R. #01

von Mina Rabenalt • 03.05.2023

Gefühlt jede Person war schon in Berlin. Oder will nicht nach Berlin. Gehyped, überbewertet und verhasst. Mina Rabenalt opfert sich und schreibt über das Leben in der Geburtsstadt der ruppigen Fleischfachverkäuferinnenmentalität.

Ich habe von einer Jugendlichen in der Therapie erfahren, dass es in ihrem Freundeskreis eine Mutprobe sei, in den KitKatClub zu gehen. Als sie mir dies erzählte, schaute sie ganz erwartungsvoll, vermutend, dass ich mit dem Etablissement inhaltlich etwas anfangen kann.

Vergnügt lächelte ich beim Gedanken an den Artikel «Dresscode KitKat Berlin: Tipps für die Outfitwahl» von Bunte.de in meinen Tee.
Erinnerungen wurden wach aus dem Kunstleistungskurs im Abitur. Schon damals ein sagenumwobener Ort, von dem eine Mitschülerin mit einem verwirrten Grinsen erzählte, dass sich ein Herr wohl da direkt vor ihr «einen heruntergekeult» habe.

Und da fällt mir wieder auf, noch mehr als jeher: Ich verbleibe mit meiner Ignoranz der gesamten Berliner Clubszene, den Places to be und kann da wirklich kein Fünkchen an FOMO in mir erwecken. Konzertgirl für immer!

Nun hat meine Jugendliche aber Probleme, Gleichaltrige anzusprechen und Freundschaften aufzubauen. Sie beschrieb immer wieder soziale Ängste diesbezüglich und ich schlug ihr vor, in den Laden mit dem heißen Scheiss für ihre Altersklasse zu gehen: Konfrottherapie im CoExist also.

Umgeben von feinen, jungen Menschen mit Y2K-Optik, E-Girls und Technofeen, im Wayne’s-World-Shirt oder zwei verschiedenen Chucks, durchforsteten wir das Angebot.

Umgeben von feinen, jungen Menschen mit Y2K-Optik, E-Girls und Technofeen, im Wayne’s-World-Shirt oder zwei verschiedenen Chucks, durchforsteten wir das Angebot. Meine Jugendliche zeigte mir verwegen einen «I hate school»-Button, den sie käuflich zu erwerben gedachte, woraufhin ich ihr den Choker zeigte, der es mir angetan hatte.

Sie schaute auf die Buchstaben in der Mitte, die das Wort «Bitch» ergaben, ungefähr so, wie ich meine Mitschülerin voller Ehrfurcht nach ihren Erzählungen der Erfahrungen im KitKatClub angeguckt habe.

Ich fragte, was die Reaktionen wären, wenn sie solchen Schmuck in der Schule tragen würde. Offensichtlich hat sich seit meiner Schulzeit wirklich nichts verändert und es werden immer noch Aussagen getätigt bezüglich der Korrelation zwischen der Anzahl Sexualpartnys und der Ehre einer Frau. Ermüdend und für meine Jugendliche nicht sehr erbauend. Sie kaufte den Button, war unglaublich stolz und hat sowohl mit mir als auch mit der Verkäuferin interagiert. Vielleicht habe ich jetzt endlich einen Sinn hinter Klubs gefunden. Klubs als Therapiematerial.

Nächstes Mal also mit Klientys ins Berghain, wa? Wer kommt mit?

Soundtrack als Lesebegleitung:


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Über Mina Rabenalt

Mina Rabenalt wurde geboren in Berlin Friedrichshain im Jahre 1993. Aufgewachsen an der Warschauer Brücke und an der Rummelsburger Bucht, war sie schon immer da, bevor es cool wurde und man es sich nicht mehr leisten konnte. Sie arbeitet derzeit als Therapeutin.

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