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Ich fühle meine Gefühle. Besonders mit meinem Körper.

von Mina Rabenalt • 05.06.2024

Ob privat oder beruflich, es fühlt sich an als hätte ich das Psychotherapiegame durchgespielt. Ich kann alles analysieren, in einen Kontext setzen und finde im Sekundentakt für jedes Problem eine Lösung.

Dass ändert nur nichts an meiner Beziehung zu meinem Körper, der mir von Jahr zu Jahr mehr zeigt, dass meine Vergangenheit Spuren hinterlassen hat. Was, wenn ich mich jetzt meiner Nemesis stelle? Konfrontation mit der Gruppentherapie. Mina macht jetzt radikale Therapie.

Ich sitze in einem Kollektiv von 14 FLINTA. Das mache ich schon seit Freitagabend und nun ist Sonntag das zweite Mal in Folge von 9:30 Uhr bis 18 Uhr Intimität zulassen und sich vor anderen in die Mitte stellen und fühlen angesagt. Am Ende des Tages habe ich jede einzelne Person im Heulkrampf gesehen und begleitet.

Samstagmittag bäumte sich mein Körper auf. Zeigte mir wie gefährlich nahe ich meinen tiefsitzenden Wunden komme. Ich nehme Anteil an so viel Schmerz und weiß nicht, wo mein Empfinden anfängt und das der anderen aufhört. Ich breche in ein Schluchzen aus und alles läuft. Erst zwei Frauen später bin ich überhaupt erst an der Reihe im Kollektiv ein Thema verbal oder physisch mit mit Unterstützung zu erarbeiten.

Dort verheult angekommen, werde ich durch die Emotion begleitet. Der Blick fest auf meine Augen gerichtet, die Hände dauerhaft um meine gelegt. Ein wahrlich geschützter Raum. Danach meine dritte Migräne in meinem Leben. Während alle anderen sich dem deliziösen Mahl widmen, entscheidet sich mein Körper fürs Übergeben. Wehrt sich. Windet sich. Sagt mir, ich muss mich zurückziehen. Allein mit mir auskommen. Unter der Decke in die hinterste Ecke des Zimmers mit der festen Überzeugung, dass mich keine von ihnen so richtig mag.

Doch sie kommen immer wieder. Bringen mir Kekse, trinken, Brot. Legen ihren Arm um mich und sorgen sich. Ich will das ohne Angst auch können! Ich will nicht über Gefühle reden, sondern sie ausführen! Durchleben bis es aus meinem System ist.

Ich habe mich entschieden für ein Jahr einmal die Woche zur radikalen Therapie zu gehen. Ich habe das Gefühl auf dem richtigen Weg zu etwas großem zu sein.

Ich habe jetzt schon so viel über mich erfahren und erspürt, was ich solange verlernt habe.

Soundtrack zur Lesebegleitung:


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Über Mina Rabenalt

Mina Rabenalt wurde geboren in Berlin Friedrichshain im Jahre 1993. Aufgewachsen an der Warschauer Brücke und an der Rummelsburger Bucht, war sie schon immer da, bevor es cool wurde und man es sich nicht mehr leisten konnte. Sie arbeitet derzeit als Therapeutin.

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