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Mühsam aufgebaut und in Sekunden niedergemäht

von Mina Rabenalt • 03.07.2024

Die Quote ist von nun an echt miserabel. 3. Job nach der Ausbildung und der 2. der durch übergriffiges Verhalten zu einem unsicheren Ort für mich wurde. Dabei will ich doch nur irgendwo ankommen.

Ich wurde auf Arbeit in meinem eigenen Therapieraum festgehalten.

Nachdem ich 3x um das Verlassen des zukünftigen Chefs gebeten habe, wurde ich weiterhin bedrängt und meine Grenzen überschritten. Der Konflikt: seine Bemerkung zu einem Foto von mir mit der Bitte, dass doch mein Vorbau ihn nicht so anstarren solle.

Und wieder einmal ein Gedächtnisprotokoll erstellt.
Und wieder wurde ich gefragt, warum ich denn nicht einfach geschrien habe.
Und wieder wurde mir gesagt, dass ich ja eine Mitschuld habe.

Und wieder begannen die Alpträume und aus dem Stolz mir einmal im Leben drei Wochen Urlaub zu gönnen, wurden Wochen der Hölle. Ich hätte mir vorstellen können zu verweilen. Die Abteilung fachlich aufzubauen und mir Nachwuchs heranzufördern.

Lernen auch mal Unter- oder Überforderung im Gesundheitswesen auszuhalten und die Umstände in Ruhe zu beleuchten und Schritt für Schritt zu verändern.

Irgendwo einfach mal ankommen und nicht auszubrennen.

Ich war arbeitsunfähig.

Und dann klingelte es an der Haustür und eine mir vollkommen fremde Person stand vor der Tür und überreichte mir einen Umschlag von meiner Arbeitgeberin. Ich solle doch auch bitte sofort den Generalschlüssel und den Haustürschlüssel aushändigen.

Ich wusste sofort, dies war meine erste Kündigung im Leben.
Ich öffnete den Umschlag. Ich solle übermorgen das restliche Firmeneigentum abgeben, sonst würde meine Arbeitgeberin auch vor meiner Wohnung erscheinen.

Das kürzlich mir privat geschenkte Handy, nachdem meines die Hufe hochgerissen hat, mit aufgelistet, dahinter eine Seite mit einer Rechnung.
Selten so wertlos gefühlt.
Einfach mal 1 1/2 Jahre 1000 Prozent gegeben, um so weggeschmissen zu werden.

Meine beste Freundin atmete für mich, mein Partner hielt mich, mein Freundykreis wütete für mich.

2 Tage paralysiert. 2 Tage verängstigt, wie ein kleines Kind, das gleich gesagt bekommt, was es alles falsch gemacht hat und so behandelt zu werden verdient hat.

Und danach?

Therapiekinder weinten, weil sie plötzlich nicht mehr zu mir dürfen, ältere Damen fragen mich, ob den noch 1996 sei, wo ihnen exakt dasselbe passiert ist.

Ich spüre die Liebe und den Zusammenhalt um mich herum. Ich aktualisiere meinen Lebenslauf. Schaue kurz in Stellenangebote.

Ein Gefühl von Sicherheit macht sich breit.
Meine Arbeit wird gesucht. Ich darf mir erlauben durchzuatmen.

Sehr oft muss ich an mein Telefonat mit einer Freundin nach dem Übergriff denken. 1 1/2 Jahre habe ich in die Freundschaft zu dem Herrn investiert. Habe ihn durch Trennung und Umzug begleitet, war per Videocall im stationären Bereich mit ihm verbunden, genauso in meinem Vietnamurlaub.

Es braucht nur ein Funken von Kritik und schon wird fleißig am Machthebel gezogen. Und da ist es absolut egal, ob du 20 Jahre verheiratet bist und sagst, dass du dich trennen möchtest oder klar artikulierst, dass dein Körper kein Gesprächsmaterial ist.

Ich bin nicht dein Eigentum.
Meine letzte Freundschaft zu einem heterosexuellen Cis-Mann.
Ich weine ihr nicht nach.

Soundtrack zur Lesebegleitung:


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Über Mina Rabenalt

Mina Rabenalt wurde geboren in Berlin Friedrichshain im Jahre 1993. Aufgewachsen an der Warschauer Brücke und an der Rummelsburger Bucht, war sie schon immer da, bevor es cool wurde und man es sich nicht mehr leisten konnte. Sie arbeitet derzeit als Therapeutin.

Alle bisherigen Kolumnen findest du hier.

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