von Mina Rabenalt • 02.10.2024
Jedes Mal, wenn ich vor Menschen äußere, dass ich introvertiert bin, werde ich ungläubig bis belustigt angeschaut. Warum eigentlich? Auch eine bunt gekleidete bis geschminkte Person, die am Menschen arbeitet, darf von diesen ausgelaugt sein.
Ich habe mal wieder nicht gut auf mich geachtet. Ich habe ein halbes Wochenende mit meiner besten Freundin verbracht und ein halbes Wochenende mit der Familie. So weit, so harmonisch klingend.
Am Montag Therapie, am Dienstagmorgen alle möglichen Stellen in der Umgebung angeschrieben, wo vielleicht Ergotherapiebedarf sein könnte, danach Tierärztin inklusive 2 Stunden Fahrtzeit für den armen Kater und danach eigentlich Jugendtraining.
Schon fühlte ich mich wie dreimal überfahren, leer gesaugt und wahlweise kurz vor Periode oder Erkältung.
Schon benutze ich das Wort «schon», ohne anzuerkennen, dass das alles viel zu viel war. Nur weil ich es nicht spüre, sondern erst wenn es zu spät ist, körperlich bemerke und ich mich wieder zusammensetzen darf. Mir geht es gut, es funktioniert ja, ich mache weiter, alles gut, alles unter Kontrolle und Totalausfall. Tage im Bett, handlungsunfähig und einfach nur müde.
Früher nach jedem Treffen oder jeder Homeparty erstmal 3 Tage erholen. Wenige Freundys, alles überschaubar, aber durchtränkt mit dem Gefühl der Einsamkeit und der Andersartigkeit.
Ich empfand diese Person, die den Kalender zückt und dir für ein Treffen einen Termin in 4-8 Wochen vorschlägt, als unflexibel und förmlich. Und ich habe nie verstanden, warum sie ihren Kalender so vollballern.
Stellt sich heraus, diese Person bin ich selbst geworden. Aus irgendwelchen Gründen habe ich über die Jahre so viele wunderbare Menschen kennengelernt, die in unregelmäßigen Abständen wissen wollen, was ich so treibe, dass meine Taktik aus der Jugend nicht mehr funktioniert.
Ich war nämlich die, die immer unverzüglich geantwortet hat. Die Königin der Filmforen und Internetgemeinden. Hatte auch zuhause, neben «Sims 2» spielen und Cineastin sein, dafür sehr viele Ressourcen. Jetzt bin ich die, die oftmals ewig nicht antwortet, aber jeden Tag an die jeweilige Person denkt.
Und ich wünsche mir von mir sehr, dass ich einen Mittelweg endlich mal beschreite. Ich weiß ja auch, wie es geht. Jede Woche eine halbe Stunde Zeit nehmen für eine Nachricht. Und ein Treffen ausmachen. In 4-6 Wochen.
Und nicht mehr als eine herausfordernde Aufgabe pro Tag. Und mindestens einen Tag in der Woche nur für mich. In meiner Wohnung. Mit zwei Katern, die sich kloppen, wer auf meinem Schoss liegen darf, um Schokoladenkrümel zu mampfen.
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Über Mina Rabenalt
Mina Rabenalt wurde geboren in Berlin Friedrichshain im Jahre 1993. Aufgewachsen an der Warschauer Brücke und an der Rummelsburger Bucht, war sie schon immer da, bevor es cool wurde und man es sich nicht mehr leisten konnte. Sie arbeitet derzeit als Therapeutin.
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