von Mina Rabenalt • 08.01.2025
Festtage, so voller Liebe und Besinnlichkeit. Schokolade, Zimtstangen und Orangenschalen. Geschenke und Kinderlachen. Alle haben sich lieb. Oder wenn man erwachsen ist, den Niedergang von fast jeder weiblicher Person zum Wohle aller beobachten. Warum eigentlich? Muss ich das hinnehmen und dabei zusehen, wie sich zugrunde gerichtet wird?
Ich stehe vor meinem Schrottwichtelgeschenk. Eine exzellente Kreation des schlechten Geschmacks. Ein übergroßer Karton eines Luftfilters gefüllt mit Papier. Und einem Plastikmonstrum, lila, länglich schlängelnd und versehen mit einer Schnur mitsamt Gewicht daran. Bei der Vorstellung, wie eine Person das öffnet und darauf reagiert, muss ich kichern. So schleppe ich das Ding auch gerne einmal durch die halbe Stadt zum weihnachtlichen Austragungsort.
Von der Vorfreude bleibt leider wenig übrig. Bis auf drei andere Geschenke werden schöne und nicht im Ansatz schrottige Gegenstände verschenkt. Ich erhalte eine unglaublich romantisch verzierte Vase in blau mit Blumenmuster. Und ich schaue dabei zu, wie traurige Augen meinen Schrott auspacken und fühle mich schuldig. Und ich bin wütend, denn als ich sage, dass das alles ja gar kein Schrott sei, heisst es, jede entscheide selbst, was Schrott ist.
Und ich denke: nein. Ihr hattet einfach alle nur scheissend Angst, mit echtem Schrott vor den Kopf zu stoßen, anzuecken. Und so wird dafür gesorgt, dass alle weiblich sozialisierten Menschen, die sich dieser unausgesprochenen Regel nicht beugen, sich egoistisch fühlen. Nicht genug auf das Wohl aller achten. Zu sehr um sich kreisen. Auch mal Rücksicht nehmen könnten.
Und da kommt wieder die Wut. Ich habe doch nicht Jahre damit zugebracht mir abzugewöhnen, die Bedürfnisse aller zu umsorgen, es jeder Person recht machen zu wollen und über meine Grenzen zu gehen, um jetzt dafür vermittelt zu bekommen von Schwestern im Geiste, dass ich damit die Harmonie störe.
Ich fühle mich als Täterin. Die Mörderin der guten Stimmung und des Einklangs. Das weibliche Familienoberhaupt geht an Weihnachten in die Notaufnahme und es löst so viel Angst aus. Und Schuld. Ich habe versucht, so viel wie geht von ihren Schultern zu nehmen, aber sie lässt es nicht zu. Alle sind daran gewöhnt, empfinden es als normal. Nehmen es als ihre Persönlichkeit hin. Muss ich es auch hinnehmen, wenn jemand, der mir unglaublich viel bedeutet, sich Schritt für Schritt unnötigerweise gesundheitlich schädigt?
Wann ist es erlaubt zu sagen: Jetzt reicht es! So geht es nicht weiter! Wann können all die Gestressten so etwas annehmen? Bin ich dann wieder zu dominant, wenn ich dieses Spiel nicht mitspiele? Es offen anspreche und nicht hinnehme?
Ich habe keine Lust bei jedem Keks zu fragen, ob den alle anderen diesen viel lieber haben wollen oder ob alle denn versorgt seien. Wenn ich den Keks haben will, dann nehme ich ihn. Außer es ist der letzte, da fragt man natürlich aus Höflichkeit. Also schnappt euch einen Keks. Ohne zu fragen. Und dann noch einen. Und hört auf alle anderen als wichtiger zu behandeln als sich selbst. Dein Umfeld übernimmt doch sonst einfach die Einstellung, die du erfolgreich etabliert hast.
Und den Frust hast du einfach nicht verdient. Du bist wertvoll, verdammt!
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Über Mina Rabenalt
Mina Rabenalt wurde geboren in Berlin Friedrichshain im Jahre 1993. Aufgewachsen an der Warschauer Brücke und an der Rummelsburger Bucht, war sie schon immer da, bevor es cool wurde und man es sich nicht mehr leisten konnte. Sie arbeitet derzeit als Therapeutin.
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