von Mina Rabenalt • 02.04.2025
Wie ich meine innere 50-jährige Anette gechannelt habe und in einer Whatsappgruppe gelandet bin. Die Geburt der Muschigruppe.
Wenn man in Einrichtungen arbeitet, von extern kommt, dann ist es schon sinnig, mindestens mit der Anmeldekraft per du zu sein. Noch besser, wenn du eine gute Basis mit den anderen nicht therapeutischen Fachkräften hast. Warum? Lebensfreude, Gossip über deren Arbeitgeby, Austausch über die Bewohnys und Unterstützung in kniffligen Situationen. Ein gutes Geben und Nehmen.
So kam es, dass meine Lieblingsanmeldung Sabrina nach einigen Katzenkonversationen mich fragte, ob ich nicht in ihre frisch gestartete «Muschigruppe» wolle. Es wären noch Gudrun aus der Küche, Jessica aus der 2. Etage und Nadja und Ulrike aus der 4. Etage dabei. Alle mit Katzen. Meine erste Whatsappgruppe seit bestimmt fast 10 Jahren. Ich sagte «ja». War es journalistischer Ehrgeiz? War ich getrieben von Neugier? Oder entdeckte ich eine Mitte 50-jährige in mir, die ausschließlich über ihre Katzen redet und sie ihre Erst-, Zweit- oder Siebentgeborenen nennt.
Sabrina hat dich hinzugefügt.
Ich bin mutig und gehe direkt in die Katzenvorstellung. Ich präsentiere tolle Fotos und Videos von beiden Süßmäusen und erwähne den kürzlichen Tod des kleineren. Nach einer Minute direkt die erste Reaktion: «Tut mir sehr leid. Ich hatte noch nie eine Katze im Morgenmantel 😂 Der andere Kater sieht aus wie aus einem Katalog. Sehr fotogen.» Und danach stellt die Gudrun ihre «Rasselbande» vor. Ich sehe Gandalf schief fotografiert als Knäuel auf dem Sofa, Robert auf einem pinken Kratzbaum und Thor auf einer dunkelgrünen Überdecke, nebst türkisen Kopfkissen mit Vögeln darauf.
Dann beginnt Nadja «ihre Kinder» vorzustellen. Ich sehe Fotos von Prinzessin Leia und Prinz Charming, beide fast schielend, vermutlich hypnotisiert vom fetten Blitzlicht. Ulrike fährt danach mit ihren „Süßen“ fort. Herr Odin und Dame Missy schauen vom Fensterbrett aus in die Kamera. Daneben steht ein Holzobjekt mit Vogel inklusive Nest. Es sind nur die Buchstaben «me» erkennbar, so dass ich vermute Dame Missy steht vor einem «ho». Ich muss an Dekoartikel mit «live laugh love» denken.
Die Gruppe ist fleißig. Fast jeden Tag erhalte ich Fotos vom «kuscheln mit Mama». Es wird ein Fernseher fotografiert, dahinter Gandalf. «Fremder Mann im Haus 🫣» Und sonntags gibt es KI-Katzen mit der Botschaft «Ein Lied…zwo…drei…vier…Der Sonntag ist ein schöner Tag, weil ich Faulenzen so sehr mag». Danke Jessica, noch nie war der Impuls so gross jetzt ein Meme zu posten. Danach geht die Runde rum, wie denn alle «Samtpfoten» bei der Fütterung aussehen. «Der Prince Charming» setzt sich ja immer hin…so richtig anständig…und frisst er doch wie ein Schweinchen, berichtet Nadja.
Das Themenspektrum weitet sich innerhalb der Tage. Es wird philosophiert, welche Dekokatze wohl am besten auf dem Balkon zur Geltung kommt. Spoiler: Natürlich die, mit den Leuchtaugen, die nachts automatisch anspringen. Leider muss Jessica «die Balkonmieze» allein lassen. Nachtdienst.
Alle bekunden ihr Mitgefühl.
Danach ist die Katzenwäsche im Profil. Sabrina postet ein Video von Joachim und schreibt darunter: «Die gründliche Mittwoch Wäsche oder erwartet er Frauenbesuch? 😘🥰😘🥰😘🥰» Es wird gelacht. Die GIFs wirbeln durch die Gegend. Dann Schlafenszeit. Alle Katzen werden reihum dokumentiert und zum Schluss eine gute Nacht gewünscht.
Verrückt, zu wissen, wie andere Menschen ihr Leben leben. Ein ganz spezielles Tor zu einer ganz speziellen anderen Welt. Und so schauen wir uns jetzt immer verschwörerisch in die Augen, wenn wir uns in den Gängen sehen. Ein leichtes Lächeln auf den Lippen, weil wir wissen, wie unsere Pussys so ticken. Geheimagentin Mina, Codewort Kater. Ich bleibe dran.
Wenn ihr Wunschthemen, Anregungen und Pöbeleien habt oder in den Genuss der Superpower des Weltbeste-Mixtapes-Machens kommen wollt, dann sendet eine Nachricht an:
Über Mina Rabenalt
Mina Rabenalt wurde geboren in Berlin Friedrichshain im Jahre 1993. Aufgewachsen an der Warschauer Brücke und an der Rummelsburger Bucht, war sie schon immer da, bevor es cool wurde und man es sich nicht mehr leisten konnte. Sie arbeitet derzeit als Therapeutin.
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