von Mina Rabenalt • 07.05.2025
Es gibt ja Leute, die interessieren sich für etwas und beginnen dann das zu machen. Einfach ausprobieren. Üben, lernen, beherrschen. Und dann gibt es mich, wo zwischen Hyperfokus und etwas Können sich ein riesiges Niemandsland mit sehr lautem Grillenzirpen befindet.
Eine meiner Spezialitäten ist, dass ich sehr begeisterungsfähig bin. Just geschehen, als ich mich nach Daniel und Mr. Miyagi gesehnt habe und doch tatsächlich in der Kinovorschau mir Ralph Macchio zum erneuten Kampf bereit erschien. Und ich sah die zahlreichen Fotos vor meinem inneren Auge, wo ich den Kranich gemacht habe. Ich spürte den Hypetrain in mir.
Und ich finde es so schön zu sehen, wie ich einfach eine Schnupperstunde Karate in meiner alten Grundschule mitgemacht habe. Badass. Natürlich war ich aufgeregt, aber nicht selbstzerfleischend. Ich habe alles so gut es geht mitgemacht. Ich bin zwar in der Koordination von mehr als einem Gliedmass gleichzeitig eine Nulpe, aber bei Flexibilität kann ich brillieren. Und ich habe Feedback angenommen und hatte keine Panik. Akzeptieren, dass man in den ersten Berührungspunkten nirgendwo anders stehen kann als am Anfang, wo alles neu, schnell, aufregend und ungewohnt bis überfordernd ist. Und ich radelte nach Hause und es ging mir gut. Und ich war stolz auf mich.
Einen Tag später klopfte die bekannte Furcht wieder an die Tür. Redete mir ein, dass es sinnvoll wäre, die Übungen, die mich koordinativ überforderten, vielleicht bis zum nächsten Mal zu trainieren. Und ich war überrascht, wie sehr dieses Muster seit dem Kindergarten in mir steckt. Wow. So viel Angst zu Scheitern. So viel Angst vor negativer Rückmeldung.
Im Kindergarten hatten wir Pappschuhe gebastelt mit Schnüren, um an diesen eine Schleife zu lernen. Ich wurde leider krank und als ich wiederkam, konnten alle Kinder die Schleife. Nur ich nicht. Ich traute mich nicht um Hilfe zu bitten. Ich beobachtete heimlich andere beim Schleife binden. Zuhause zog ich mich zurück und versuchte das, was ich mir gemerkt hatte, umzusetzen. Und scheiterte. Ich begann auszuprobieren bis ich irgendwann einen Weg gefunden habe, eine Schleife zu binden. Ich mache diese bis heute so und hatte einige Momente, wo meine Art des Schnürens aufgefallen ist. Der Weg dahin war geprägt von dem Gefühl des Auffliegens. Das Gefühl wieder mal die einzige Person zu sein, die das nicht hinbekommt. Scham.
In der Grundschule kam dann noch etwas anderes hinzu. Ich versuchte abzulenken, wenn etwas überfordernd und angstbesetzt war. Die Lernkurve vermeiden durch Verweigerung und mit dem Hintergrund Einswerden.
So war ich eine stille Maus. Und die Luft für mich als Kind, welches nur Dinge macht, die es kann, wurde ganz schön dünn. So erinnere ich mich an den Fanfarenzug, wo ich zum Trommeln untergekommen bin. Ich kam hin, hatte Angst und wenn der Unterricht fertig war, merkte ich ein wenig Spaß, aber größtenteils vollkommene Erleichterung das Training „überlebt“ zu haben. Weil ich ja nichts konnte. Und wenn ich es nicht kann, dann brauche ich ja auch gar nicht erst anfangen. Paradox. Oder ich war von Anfang an versaut durch den Gedanken, dass es so Genies gibt, die das sofort hinbekommen und alle anderen dann halt nicht so besonders sind. Und dann kann man ja eh gleich aufgeben, wenn man nicht begabt dafür ist. Was für ein innerer Kampf. Dann verstauchte ich mir in der Zeit einen Finger und hatte einen Grund zur Flucht, der anstandslos von meinen Eltern hingenommen wurde.
Ein kurzzeitiges Gefühl von Freiheit. Und seitdem ein großes What-if-Szenario bezüglich Beziehungen zu den anderen Kindern, die vielleicht meine Kindheitsbesties jetzt wären und einer möglichen musikalischen Grundausbildung, die ich mir jetzt sehr sehnen würde.
Und so werde ich den Schnuppermonat Mai mitnehmen und einfach daran teilnehmen. Keine Panik, keine Vorbereitung, sondern mit der Akzeptanz, dass ich diese Art mit meinem Körper umzugehen erst lernen muss und dass es so lange dauern darf, wie es muss. Ich habe eh keinerlei sportlichen Ehrgeiz und Sehnsucht nach Medaillen. Ich mache das für mich. Und nehme den Hype wie er kommt, genieße den Ritt und bin schon in Staffel 3 von «Cobra Kai». Und ich probiere und probiere und versuche geduldig mit mir zu sein und auf mein Bauchgefühl zu achten. Das wird mich schon dahin leiten, wo ich hinmöchte.
Wenn ihr Wunschthemen, Anregungen und Pöbeleien habt oder in den Genuss der Superpower des Weltbeste-Mixtapes-Machens kommen wollt, dann sendet eine Nachricht an:
Über Mina Rabenalt
Mina Rabenalt wurde geboren in Berlin Friedrichshain im Jahre 1993. Aufgewachsen an der Warschauer Brücke und an der Rummelsburger Bucht, war sie schon immer da, bevor es cool wurde und man es sich nicht mehr leisten konnte. Sie arbeitet derzeit als Therapeutin.
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