von Mina Rabenalt • 04.06.2025
Dieses Gefühl, wenn du denkst, jetzt kannst du durchstarten. Und dann findet der Körper einen neuen Weg, um dich darauf aufmerksam zu machen, dass du eigentlich nicht mehr kannst und gar nichts geht.
Arbeitsunfall, Karateschnuppertraining und plötzlich könnte ich auf dem Weg zur Arbeit mein rechtes Bein kaum mehr heben. Es wurde gehumpelt und die verkürzte Woche durchgezogen. Keine Ibu, keine Wärme, keine Kälte, keine Übung der Welt führte zu einer Verbesserung. D-Ärztin, 50 Ibuprofen 600 und Muskelrelaxiantien später, fand ich mich in der 2. arbeitsunfähigen Woche wieder, in einem Zustand der dauerhaften Schmerzen und mit einem riesigen Fragezeichen, was denn mein verdammtes Problem sei.
In Schonhaltung wie Gollum durch die Gegend tigernd, sagte ich einige wenige Termine ab. Doch je näher alle anderen Termine kamen, desto unangenehmer wurde nun auch Blasenentzündungssymptome.
Ha! Körper! Damit konnte ich dich enttarnen, denn ich habe ja seit 2 Jahren eine Impfung gegen diese Erkrankung aus der Hölle.
Du arbeitest also Hand in Hand mit meinem Gehirn. Anders kann es nicht sein! Da half kein Gezeter, es war klar: ich muss einen riesigen Neustart machen, wenn ich mein Leben nicht auf Toilette oder dauerhaft humpelnd und rückengebeutelt verbringen möchte.
So kam der Tag, wo ich alle Videocalls, Ehrenämter und Verabredungen absagte. So kam eine ehrleichternde Nacht und ein Tag ohne Blasenentzündungssymptome.
Ja Körper! Ich weiß ja, was du willst. Ich bin dran.
Am Ende der 2. Woche fand ich Optimismus. Es gab endlich Lagen, in denen ich nicht komplett von Schmerz zerfressen war. Und der Bewegungsdrang wurde immer lebendiger.
Ich freute mich auf die Vereinsmeisterschaft beim Bogenschießen und nahm mir vor pro Passe maximal 3 Pfeile zu schießen und auf mich zu achten. Ich packte meine Sporttasche und es fuhr plötzlich ein gleisender Schmerz durch mich. Sogar ein lautes „Fuck“ kam aus mir während ich versuchte zu atmen. Ich versuchte mich irgendwo festzuhalten und wurde sehr zeitnah in eine Umarmung geführt. Und da stand ich nun und wurde gehalten, während ich aufgrund von 3 Wochen durchgängigen Schmerzen so laut schluchzte, wie man es von Kindern kennt, die sich gerade wehgetan haben.
Richtig überwältigt, körperlich und dann auch von der Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht, so viele Rückschritte zu machen. Und nicht so agieren zu können, wie man gerne möchte. Der Körper nun nicht mehr so funktioniert, wie man es kennt.
Und dabei habe ich doch brav alles gecancelt, wie du es wolltest. Darf ich jetzt bitte wieder schmerzfrei und agierfähig sein?
Nö.
Geduld. Geduld. Geduld.
Eine Eigenschaft, die mir nicht innewohnt.
Eine Eigenschaft, die ich zähneknirschend und augenrollend kaum aushalten kann.
Und doch steht viel Wahrheit drin.
Danke Körper, dass du mir zuverlässig zeigst, wenn ich in einer Sackgasse stecke. Danke, dass du mich schützt und mir spürbar machst, wenn es mir nicht gut geht.
Danke, dass du es so stark signalisiert, dass ich gezwungen bin, sofort den Kurs zu ändern.
Danke, dass ich dadurch sehe, wer mich auffängt und mir immer wieder gut zuredet.
Und dann reicht es auch mit Operationen und neue Erkrankungen und Schmerzen für dieses Jahr, ja?
Bitte bitte. Ich bin auch so geduldig wie geht, Körper. Versprochen.
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Über Mina Rabenalt
Mina Rabenalt wurde geboren in Berlin Friedrichshain im Jahre 1993. Aufgewachsen an der Warschauer Brücke und an der Rummelsburger Bucht, war sie schon immer da, bevor es cool wurde und man es sich nicht mehr leisten konnte. Sie arbeitet derzeit als Therapeutin.
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