von Mina Rabenalt • 02.07.2025
Geplant als Lobeshymne an meine Therapeutin, liege ich am Boden, weil nach 4x Physiotherapie, eine Woche täglich Yoga und fein am Wochenende in der Natur verkriechen und schön schwimmen, heute wieder mal nichts als plötzliche Schmerzen bis zu den Tränen und Bewegungseinschränkungen und Laufen wie Gollum drin ist. Zurück zur Lobeshymne.
Traumatherapie ist scheiße anstrengend. Damit meine ich nicht die Tränen, die jede einzelne Sitzung fließen oder wie ich danach sehr erschöpft und doch leichter von dannen ziehe.
Meine Therapeutin schaut mich an und ich fühle mich schon ertappt und durchleuchtet. Sie ebnet den Weg von dem angekommenen Zustand hin zum Ursprung der Gefühlswelt. Sie fragt, was ich mir für die Stunde wünsche, und wir wühlen den ganzen Dreck von links nach rechts. Von unten nach oben. Alle Spinnweben werden hübsch gemacht, der Staub gesaugt, der Schimmel entfernt.
Simultan habe ich tatsächlich in meinem Keller alles ausgemistet und geordnet. Viele Zeitdokumente in der Hand gehalten, die mich noch Tage beschäftigten. Vieles weggeschmissen. Vieles verschenkt. Viel losgelassen. Aber das ist ein anderes Thema.
Und ich lerne immer mehr, dass nicht jeder Wind mein inneres Haus weg wehen wird. Und immer mehr kann ich dem Gefühl der Sicherheit trauen. Nicht sofort in innere Vorbereitung gehen, um mit allem zu rechnen. Ich als Konstante in mir, die nicht bei jedem Gefühl oder jedem Konflikt zerspringt und ich alle 1000 Teile wieder zusammensetzen muss. Im Moment fühlt es sich wie eine kleine Kapsel an, die voll mit Minaness befüllt in mir schwebt. Und sie überlebt unbeschadet und ich bin ganz aufgeregt ihr beim Wachsen zuzuschauen.
Wie eine Blumenwiese, wo jeden Tag eine neue Blume erblüht. Meine Therapeutin feiert meine verschrobenen Vergleiche. Manchmal kommen wir bei den ganzen visuellen Erläuterungen jedoch durcheinander. Dann müssen wir nochmal ordnen.
Einmal habe ich meiner Therapeutin erzählt, dass andere Bezugspersonen mir gespiegelt haben, dass seit Beginn der Therapie deutlich weniger Traumareaktion beobachtet werden konnten und sie sehen, dass es mir weitaus besser geht. Dafür habe ich Props gegeben, aber die Therapeutin hat gekontert damit, dass ich ja schließlich die harte Arbeit mache.
Und das stimmt. Verdammt hart. Verdammt unfair überhaupt, dass ich sie machen muss. Verdammt viel, was aus diesem Körper raus muss.
Und so liege ich hier in einer Babykobra auf dem Boden und frage, warum dieser verdammt harte Prozess unbedingt durch dauerhafte körperliche Probleme von Rücken bis Hitzeschlag bis Bartholindrüsenzyste bis Blasenentzündungssymptome, bis Asthma bis akustischer Meltdown mich heimsuchen müssen.
Und ich frage, wird es irgendwann weggehen.
Und es heißt: Ja.
Körper, lass ziehen. Körper, lass los. Ich passe auf dich auf. Du bist nicht mehr in Gefahr. Bitte lass mich heilen. Bitte lass ab von diesen Dauerplagungen mit denen du von Jahr zu Jahr deutlichere Worte gesprochen hast. Ich fühle die Schmerzen jetzt, das bedeutet, ich bin stabil genug und ich fühle dich wieder, Körper. Immer mehr. Denn du heilst. Und das ist kein Spaziergang. Wobei, doch, einer durch Mordor zum Schicksalsberg.
Manche sagen, sie fangen nicht mit Therapie an, weil sie Angst haben, was sie aus sich hervorholen oder gar keine Kapazitäten dafür haben. Doch im selben Atemzug wird nicht darüber geredet, was passiert, wenn man sich dem nicht beizeiten annimmt.
Das Leben zieht sich zu. Immer enger, immer tauber oder schmerzhafter. Und am Ende warten dann richtige Knallererkrankungen, die am besten am ersten Tag des Renteneintritts sich bemerkbar machen und man dann körperlich geknechtet seinen Lebensabend mit seinen Schmerzen und Träumen, die man jetzt körperlich nicht mehr realisieren kann, verbringt. Und den Beziehungen, die man verkackt hat. Und der unglaublichen Erschöpfung bis zum Kollaps, die seit Jahrzehnten einen begleitet.
Leider sehr häufig selbst in der Therapie bei Klient:innen beobachtet, die sämtliche entzündlichen Diagnosen in ihrem Körper beherbergten und dies nicht in Verbindung brachten mit dem unfassbaren Leid, der in ihrer Biografie schlummert.
Und das wäre mein Albtraum. Also muss ich akzeptieren, dass ich dieses Jahr dauerhaft zu tun haben werde. Ich versuche Nachsicht und Geduld an den Tag zu legen. Und ich streue Hoffnung, dass dies ein Prozess ist. Ich bin im Fluss und es wird nicht für immer so sein.
Ich bin am heilen.
Ein Körper muss erst die Schmerzen zeigen, damit man ihn bekümmern kann.
Ich sehe sie deutlich.
Ich kümmere mich.
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Über Mina Rabenalt
Mina Rabenalt wurde geboren in Berlin Friedrichshain im Jahre 1993. Aufgewachsen an der Warschauer Brücke und an der Rummelsburger Bucht, war sie schon immer da, bevor es cool wurde und man es sich nicht mehr leisten konnte. Sie arbeitet derzeit als Therapeutin.
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