Sisters are doing it for themselves

Ich bin vor kurzem zu meinem Haus- und Hofbahnhof gepilgert, ausgestattet mit meinem Oma-Leomantel, Glitzerschühchen und meiner Braun-getigerten Sehhilfe.

Da kam sie mir entgegen. Vielleicht ein paar Jahre jünger, Springerstiefelchen, Leomantel und ebenfalls mit Sehhilfe. Sie grinste mich an, wissend um unser Dasein als Klon der jeweils anderen. Ich schaute sie mit derselben solidarischen Wärme an und gute Laune war für den Tag vorprogrammiert. Und ein Gefühl von Macht. Eine Bestätigung, dass es feierbar ist, sich so zu kleiden. Sich selbst so inszenieren.
Der Moment gehörte uns. 💕

Als ich darüber nachdachte, warum mich dieser Moment so glücklich gemacht hat, fiel mir auf wie viel wir aufwenden, um uns wohlzufühlen, um dies auch anzuerkennen und wertzuschätzen. Eine Freundin meinte vor einem Konzert aus dem Nichts: «Mit Mina fühle ich mich immer sicher.» 💕

Letztens meinte eine andere Freundin auf dem Weg zu ihrem Auto: «Wenn ich mit dir oder meiner Partnerin unterwegs bin, traue ich mich hier in Berlin überall hin.»

Es fühlt sich wie das größte Kompliment für mich an, dass ich ein guter Hafen sein kann, aber den Ursprung dieses fehlenden Sicherheitsgefühl würde ich sofort mitsamt meiner Selbstwertbestätigung abtreten können. 💕

Wenn ich mit dir oder meiner Partnerin unterwegs bin, traue ich mich hier in Berlin überall hin.

Beim letzten musikalischen Abend wurde ich 4x auf mein Evoli-Samt-Pullover von Girls angesprochen und ich habe ihnen allen gesagt, wo es diesen zu kaufen gibt, habe deren Look gefeiert und die mir offerierte Liebe zurückgegeben. Ich habe junge und eher kleine Girls bewusst gefragt, ob sie vor mir stehen wollen, um besser sehen zu können und habe mich über deren Freude über diese wirklich nicht die Welt kostende Geste gefreut. 💕

Auch als therapeutisches Werkzeug ist die kleine Wertschätzung beidseitig im Einsatz. So wie ich etwas ins Wohlfühlglas hinein tue, in dem ich der unsicheren Patientin ein ehrliches Kompliment zu ihrer adretten Brille mache, kann diese sich durch das Mitbringen von Snackartikeln beispielsweise revanchieren. Ihre Wertschätzung ausdrücken.
Früher wäre es mir wichtig gewesen zu zeigen, dass ich anders bin als alle anderen. Dass ich solche Small Talks nicht führe und Oberflächlichkeit verachte.

Jetzt möchte ich genau so sein wie alle von uns. Ich bin Fan und sehe, was wir alle so täglich schaffen. Einfach nebenbei. Und das gedenke ich auch jeden Tag zurückgeben. Damit ihr alle da draußen das nicht vergesst. 💕

Wenn wir uns alle täglich zelebrieren, macht es uns stärker für die unschönen Erfahrungen im Alltag. Wenn ich bereits zwei schöne Solidaritätsmomente in der Warteschlange einer Konzertlocation hatte, dann fühle ich mich gewappneter im Umgang mit den 2 betrunkenen Vollhorsten, die folgen und potenziell folgen werden. 💕

Soundtrack zur Lesebegleitung:

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