von Mina Rabenalt • 06.11.2024
Verlust ist ein Zustand, wo man so nah an seinen Emotionen existiert und Authentizität gegeben ist. Der eigene Schmerz wird vom Umfeld weich gebettet, und man erlangt fast den Glauben an das gute Wesen der Menschheit zurück.
Hättest du mich vor zwei Wochen gefragt, ob das Ende für einen meiner zwei Kater bald naht, hätte ich noch überzeugt von Besserung erzählt und wäre zwar durch die tägliche Medikamentengabe von 6-22 Uhr vollkommen gerädert, aber der laufende Optimismus gewesen.
Wie gut der Mensch doch funktioniert. Es einfach nicht wahrhaben wollen ist ein Mechanismus im Gehirn. Ob du willst oder nicht, du wirst geschützt.
Erst wenn sich Risse auftun, wenn der Kater trotz Medikation und aufwändiger Bauchoperation wieder gewinnt, Futter und nun auch Wasser zu verweigern, dann ist klar:
Mein Baby gibt mir das Zeichen loszulassen.
Und ich habe losgelassen.
Habe alles organisatorische abgegeben und war für meinen 7-jährigen Kater da.
Ich habe ihn zuhause gehalten, während der ersten lähmenden Spritze, wo er mich das letzte Mal mit Schmackes an der Hand gekratzt hat.
Ich habe ihn auf dem Schoss gehalten, in zwei Decken gewickelt, während der zweiten Spritze, wo sein Herz und seine Atmung aussetzten.
Ich habe laut um ihn geweint, habe ihn, nachdem der Urin vom Körper gelassen wurde, gesäubert und er wurde gekämmt.
Dabei habe ich mich darauf verlassen, dass mein Körper schon das macht, was jetzt nötig ist.
Wenn es nötig ist, 10 Minuten zu weinen, zu wüten, zu lachen, dann wird es schon einen Sinn haben.
Ich habe meinem Kater die Nähte von der großen Operation entfernt, weil es sich richtig anfühlte.
Ich habe mir ein paar Schnurrhaare und Strähnen abgeschnitten.
Ich habe ihn einige Stunden später in einem wundervollen Garten von herzlichen, mir unbekannten Menschen beerdigt. Neben einer blauen Porzellanente am Rande eines Waldes.
Und ich würde retrospektiv nichts anders machen an diesem einen jener Tage, wo du aufwachst und bereits weißt, dass es einer der schlimmsten Albträume sein wird, den es zu bewältigen gilt.
Das erfüllt mich mit Stolz. Ich habe gut für meinen Kater gesorgt. Ich habe gut für mich gesorgt.
Ich habe mein Hilfssystem aktiviert und es hält mich fortan in einer wohligen Umarmung.
Ich muss mich nur anschmiegen und sein.
Die Wellen der Trauer kommen und gehen. Und ich nehme sie an.
Vertraue auf meine Gefühle und fühle sie. Spüre wie das universale Empfinden von Verlust zu Solidarität und Mitgefühl um mich herum gespannt wird.
Ich vermisse ihn so sehr.
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Über Mina Rabenalt
Mina Rabenalt wurde geboren in Berlin Friedrichshain im Jahre 1993. Aufgewachsen an der Warschauer Brücke und an der Rummelsburger Bucht, war sie schon immer da, bevor es cool wurde und man es sich nicht mehr leisten konnte. Sie arbeitet derzeit als Therapeutin.
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