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Lea Nardon: Ausdruck und Vernetzung

von Michael Bohli und Eliane Ammann (Fotos) • 22.02.2024

Lea Nardon ist eine der treibenden Kräfte der Tanzszene der Region Zofingen. Wir haben mit der Macherin über Tell A Story, The Art Of Generations und ihre Liebe zum Tanz gesprochen.

Es ist ruhig in den ehemaligen Industriehallen, als wir uns an einem Freitagnachmittag in den Studios von The Art Of Generations einfinden, um mit Lea Nardon zu sprechen. Wo sonst viele Leute an ihren Bewegungen und Choreografien feilen und Aufführungen konzipiert werden, herrscht Entspannung.

Ein guter Moment, um die umtriebige Tänzerin, Instruktorin, Organisatorin und Co-Gründerin von Tell A Story über ihre Liebe zum Tanz, ihre Pläne und die regionale Situation zu befragen. Die junge Frau aus Strengelbach versprüht dabei zu jeder Sekunde Enthusiasmus und Energie.

Phosphor: Welche sind deine liebsten Tanzfilme?

Lea: «Dirty Dancing», ganz klar! Ich mag auch die «Step Up»-Reihe, dort aber wiederholen sich die Inhalte und die Choreografien sind nicht genial. Es gibt so viele, «Honey», «Stomp The Yard» …

Tanzen ist sehr emotional und visuell. Was spricht dich davon an?

Die Fähigkeit, dass man sich nonverbal ausdrücken kann, hat mich schon immer fasziniert. Ich habe immer gerne nonverbale Theater besucht. Das Spezielle am Tanz ist, dass man Emotionen, für die es keine Wörter gibt, mit Bewegungen ausdrücken kann.

Ist es einfach, mit dem Körper etwas auszudrücken?

Ja! Ich sage immer, dass das alle können. Da wir uns die Ausdrucksweise mit Sprache gewohnt sind, braucht es zu Beginn etwas Überwindung, danach aber klappt es.

Tanzen ist also niederschwellig.

Ja. Bei der Tanzschule The Art Of Generations bin ich als Tanzlehrerin angestellt und gebe dort im klassischen Sinne Lektionen für Niveaus, die unterschiedliche Voraussetzungen haben. In die Anfängerkurse dürfen alle kommen, egal ob man ein Kind oder bereits erwachsen ist. Es ist nie zu spät.

Bei Tell A Story liegen hingegen der künstlerische Aspekt und der persönliche Ausdruck im Zentrum. Die Firma wurde 2023 von Mara Peyer und mir gegründet und hat zum Ziel, regionalen Künstler:innen eine Plattform zu bieten und Möglichkeiten zu schaffen. Wir organisieren Events, vermitteln den Tänzer:innen Aufträge und versuchen uns durch Veranstaltungen zu finanzieren.

Ist das Bedürfnis in der Region denn vorhanden?

Auf jeden Fall, und das in diversen Stilen. Das nutzen wir, um bei Auftragsarbeiten unterschiedliche Tanzstile mischen und zeigen zu können.

In der Region Zofingen gibt es sehr viele Leute, die Lust und Energie haben, Veranstaltungen durchzuführen. Etwas weniger klar ist die finanzielle Förderung, wobei immer mehr Institutionen auf Tanz aufmerksam werden.

Lernt man den eigenen Körper durch Tanz besser kennen?

Absolut, man darf nicht vergessen, dass es eine Sportart ist. Auf unserem Niveau sogar ein Spitzensport, der auch Verletzungen mit sich bringen kann. Zu wissen, was man macht und wo die Grenzen sind, ist sehr wichtig.

Genauso wichtig ist der emotionale Aspekt beim Tanzen. Besonders Ausdruckstanz ist eine Form der Selbstheilung und hilft, nonverbal Erlebnisse zu verarbeiten. Es braucht Mut, den ersten Schritt zu machen, danach spürt man die Einflüsse auf Seele und Körper.

Wie kamst du persönlich zum Tanz?

Mit acht Jahren habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich gerne Ballettstunden nehmen möchte. Sie schickte mich dann ins Hip-Hop, wieso auch immer. Bis heute habe ich noch nie Ballett getanzt (lacht).

Rasch versuchte ich, im Unterricht meine eigenen Bewegungen und Ideen zu entwickeln. Wir nennen das auch allgemein Ausdruckstanz.

Vor kurzem fand das Tanztheater «Zainab» statt. Welches Fazit ziehst du?

Wir wollen unbedingt weitere Shows durchführen, auch ausserhalb von Zofingen. Im Publikum waren viele Personen aus der Tanzszene, von denen wir sehr gutes Feedback erhalten haben. Ebenso war die Vorbereitungszeit mit allen Beteiligten wirklich toll. Drei Monate lang haben wir intensiv trainiert, das war fantastisch.

«Zainab» begann aber bereits früher.

Im Mai 2023 führten wir die Show zum ersten Mal auf, damals für einen Wettbewerb und in einer kürzeren Version. Bereits dort gab es positive Rückmeldungen. Nach einigem Zögern habe ich mich darum doch dazu entschieden, eine lange Version zu erschaffen.

Was liess dich zuerst zögern?

Ich bin eine Perfektionistin und habe mir selbst gegenüber sehr hohe Ansprüche. Auch, weil wir es in den letzten Jahren geschafft haben, unsere Tanzschule und Zofingen in der Szene zu verankern. Da wächst der Druck, hohe Qualität abzuliefern.

 

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Verbindet das Tanzen deine beiden Heimaten Oman und Schweiz?

Diese beiden Zuhause zu haben, ist nicht immer einfach, da ich stets Heimweh nach einem Land verspüre – egal wo ich bin. Tanzen begleitet mich und gibt mir stets eine Heimat, wo auch immer ich mich aufhalte. Durch «Zainab» konnte ich beide Welten hier in der Schweiz vereinen.

Welchen Stellenwert hat Tanz im Oman?

Besonders in der beduinischen Kultur ist Tanzen sehr verbreitet und gehört zur Tradition und zum Alltag. Abends trifft man sich und tanzt miteinander, was mich auch zu vielen Bewegungen für «Zainab» inspiriert hat. Tanzschulen oder Aufführungen gibt es in dieser Form aber nicht; bloss vereinzelte Events mit klassischen Darbietungen in Kulturhäusern.

Braucht der Schweizer Alltag mehr Tanz?

Definitiv, und etwas mehr Bewegung im Allgemeinen (lacht). Ich erhalte viele Rückmeldungen von Leuten an unserer Tanzschule, die es sehr schätzen, nach einem stressigen Tag ihren Körper und Geist durchlüften zu können.

Was sind die nächsten Pläne?

Ende Februar führen wir Tell A Story Kids durch, im August folgt Tell A Story für Erwachsene. Und wir möchten in diesem Jahr zusätzlich das erste Concept Battle durchführen – sozusagen ein Wettbewerb, bei dem Tänzer:innen ihre Geschichten vortragen.

Ein wichtiges Anliegen von mir ist auch die kulturelle Vernetzung zwischen unterschiedlichen Personen in der Region. Wir bei Tell A Story treiben das voran, in Zofingen dürfte diesbezüglich noch mehr passieren. Auch dazu habe ich viele Ideen, wie etwa Kooperationen mit W-OG oder dem OXIL.

Du hast bereits mit vielen Künstler:innen zusammengearbeitet. Gab es für dich Highlights?

Grossartig war es, die Choreografie zur Show von Cachita am Openair Frauenfeld konzipieren zu dürfen. Ich arbeite viel und gerne mit ihr zusammen. Und logischerweise mein Tanztheater «Zainab».

À propos Musik: Hat sich der Umgang mit Tänzerinnen in Musikvideos verändert?

Anfragen für Clubszenen mit Rappern inmitten von knapp bekleideten Frauen gibt es weiterhin, was je nach Ästhetik und Inszenierung nichts Schlechtes sein muss. Wir bei Tell A Story können aber mehr als das – und wollen in Videos auch tanzen.

Wichtig ist, dass wir Tänzer:innen als Teil des Projektes gesehen werden. Ich arbeite gerne bei der Inszenierung und den technischen Aspekten mit und will nicht bloss Staffage sein. Auch das Budget muss stimmen, das ist schliesslich unser Job.

Welche Musikvideos sollten wir uns ansehen?

Ganz klar «Conexión» von Cachita, das Video haben wir in Barcelona gedreht.




Oder auch «POV», ebenfalls von Cachita:




Victoria Monét gewann dieses Jahr diverse Grammys und das Video zu «On My Mommy» ist genial.




Immer im Auge behalten sollte man ausserdem die UK-Band Jungle. In ihren Musikvideos treten ausschliesslich Tänzer:innen auf, niemals die Band. Die Inhalte der Lieder werden durch die Bewegungen erzählt.




Zum Schluss: Hast du Träume?

Ja, viele (lacht). Wir wollen mit Tell A Story mehr Menschen zum Tanz bringen, in der Region Zofingen ein grösseres Publikum ansprechen und noch mehr Events durchführen. Und ein Wunschtraum von mir ist ein eigenes Gebäude mit Tanzsaal, Studios und Backoffice – alles in einem Haus.

Danke für deine Zeit und das Gespräch.


Lea empfiehlt euch Folgendes aus der Region:

Das Kulturkollektiv W-OG mit Marketplace und Raves.

Kultur, Gesellschaft und Sport; dafür setzt sich Lebendiges Strengelbach ein.

Tänzerin und Choreografin Mara Peyer.

Eon Awa, der umtriebige Musiker aus Zofingen.

Über Lea Nardon:

Die in Strengelbach wohnhafte Tänzerin unterrichtet seit 2016 bei The Art of Generations und leitet Hiphop, Kids Dance und Showgruppen-Trainings. Gemeinsam mit Mara Peyer gründete sie 2023 die Firma Tell A Story, führt regelmässig Events durch und ist eine gefragte Person für Choreografien in Videos von Schweizer Künstler:innen.

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